PSSM 2 – Polysaccharid-Speicher-Myopathie Typ 2

Was ist der Gendefekt PSSM2?

PSSM2 bedeutet Polysaccharid-Speicher-Myopathie Typ 2 und ist der Oberbegriff für eine Reihe von Muskelerkrankungen. Myofibrillar Myopathy (MFM) und Recurrent Exercise Rhabdomyolysis (RER) sind Subtypen von PSSM2, die alle sehr ähnliche Symptome hervorrufen.

McCue und Kollegen beschrieben 2008 eine Form der Trainingsintoleranz auf molekularer Ebene. Die Biopsien dieser betroffenen Pferden zeigten eine stark erhöhte Speicherung von Glykogen (Zucker) in Muskelzellen, abnormale Polysaccharide wie normale Zuckermoleküle, sowie eine Mutation im GYS1-Gen (GYS 1 R309H (P1)). Die Krankheit wurde folglich PSSM (Typ 1), kurz für Polysaccharid- Speicher-Myopathie, genannt.

Einige Pferde hatten ähnliche Biopsie-Befunde, allerdings fehlte die für PSSM1 verantwortliche Mutation im GYS1-Gen. Bei diesen Pferden wurde somit die Diagnose „PSSM2“ gestellt. In den letzten Jahren zeigten weitere Untersuchungen, dass die Muskelerkrankungen bei PSSM2 nicht mit Defekten in der Glykogenspeicherung in Zusammenhang stehen bzw. keine Störung des Kohlenhydratstoffwechsels vorliegt, so wie es bei PSSM1 der Fall ist. Neuere Methoden zeigten, dass es sich bei PSSM2 um Defekte in den Muskelstrukturen handelt, den Muskelfibrillen (Funktionseinheit der Muskeln). Das bedeutet, der Name „PSSM2“ ist technisch falsch. Es liegt kein Glykogenspeicherdefekt vor. Dennoch wird der Begriff derzeit weiterhin verwendet, da er bei Pferdehaltern bekannt ist.

Mutationen im Erbgut

PSSM2 ist nur bei akut symptomatischen Pferden in Muskelbiopsien zu erkennen. Daher suchten Wissenschaftler aktiv nach Mutationen, die Defekte in der Muskelstruktur oder-funktion verursachen. Forscher von EquiSeq konnten bislang vier semidominante genetische Varianten in den Genen MYOT, FLNC, MYOZ3 und CACNA2D3 finden, die PSSM2 verursachen. Die Varianten werden mit P2, P3, P4 und Px bezeichnet. Es gibt zwei zusätzliche semidominante Varianten nicht offengelegter Gene mit der Bezeichnung P8 und K1. Jedes der betroffenen Proteine beeinflusst die Struktur oder Funktion der Z-Scheibe im Sarkomer, also der Grundeinheit des Muskels und schädigt die Grundbausteine des Muskels.

Die Vererbung der Varianten erfolgt semidominant mit unvollständiger Penetranz. Das heißt, die Krankheit tritt auf, wenn eine oder beide Kopien des Gens (n/P oder P/P) die Mutation tragen.
Tiere mit nur einer Kopie der Variante (n/P) (Einzelträger) zeigen meist eine mildere Form der Erkrankung und einen späteren Krankheitsausbruch, als Tiere mit zwei Kopien (P/P) (Doppelträger). Auch die Kombination mehrerer Varianten führt zu einem früheren Beginn und einem schwereren Krankheitsverlauf. Unvollständige Penetranz bedeutet, dass Pferde mit dem gleichen Genotyp (Kombination von P-Varianten) nicht zwangsweise den gleichen Phänotyp (Symptome oder Krankheitsverlauf) aufweisen. Inwieweit unterschiedliche Konstellationen verschiedener Mutationendie Erkrankungshäufigkeit und ‐schwere beeinflussen, kann derzeit nicht gesagt werden und muss Gegenstand zukünftiger Forschungen sein.

Symptomatik

Die ersten PSSM2-Symptome sind meist unauffällig– Steifheit bei Wendungen, wenig Schub aus der Hinterhand, Muskelverspannungen und schmerzbedingte Verhaltensänderungen. Erste klinische Symptome von PSSM2 äußern sich oftmals erst im Erwachsenenalter (7-10 Jahre). PSSM2 ist eine fortschreitende Krankheit. Betroffene Pferde zeigen mit der Zeit immer stärkere Symptome. Die für PSSM1 typischen Phasen mit Kreuzverschlag treten bei Pferden mit PSSM2 vergleichsweise seltener auf. Nicht alle Träger werden symptomatisch.

Mögliche Symptome bei PSSM2:

  •   Bewegungsunlust
  • Veränderung im Temperament (durch Schmerz verursacht)
  • Ataktischer Gang/Koordinationsprobleme
  • Wechselnde Lahmheit
  •  Starker Muskelabbau (v.a. in der Hinterhand und im Schultergürtel)
  • Lokaler Muskelschwund mit Bildung von kleinen Dellen, die Trittverletzungen ähneln
  • Muskelverspannungen/dem Kreuzverschlag ähnliche Symptome
  • Steife Hinterhand, Muskelzittern, wenig Raumgriff, Auffälligkeiten im GangbildWas bedeutet dies für die Zuchtprogramme?Die Forschung über PSSM2 und deren Auswirkungen ist noch lange nicht abgeschlossen und lassen von daher noch keine allgemeingültige Zuchtempfehlung zu. Neueste Erkenntnisse zeigen, dass die vier bereits bekannten PSSM2-Varianten in fast allen Rassen umfangreich vertreten sind. An der Identifizierung weiterer PSSM2-Varianten wird derzeit aktiv geforscht.Es ist außerordentlich wichtig, die genetische Vielfalt, insbesondere bei Rassen mit kleinem Genpool, zu erhalten. Es ist in der Regel nicht empfehlenswert alle Träger oder asymptomatisch betroffene Tiere einer Erbkrankheit sofort aus der Zucht auszuschließen. Es ist sinnvoll die Rate der Mutationen in der Population über mehrere Generationen schrittweise, durch gezielte Zucht, zu reduzieren. Durch das Ausschließen aller betroffenen Tiere aus der Zucht würde die Zuchtpopulation künstlich reduziert werden, was zum verstärkten Auftreten anderer genetischer Erkrankungen führen kann, wodurch die Rasse unter Umständen noch größeren Schaden nehmen könnte.Allgemein gilt für Gendefekte

    Pferde, die Symptome einer Erkrankung zeigen, sollten nicht für die Zucht eingesetzt werden.

    Ebenso Pferde, die eine dominante Mutation tragen, da die Wahrscheinlichkeit, dass das Fohlen die Mutation erbt und somit ebenfalls erkrankt, bei heterozygoten Pferden 50% und bei homozygoten Pferden 100% beträgt. Dominant bedeutet, dass eine Veränderung auf einem der zwei Allele ausreicht, dass das Tier an einer Erbkrankheit leidet oder ein bestimmtes Merkmal zeigt. Tiere mit einer Kopie der Mutation besitzen einen sogenannten „mischerbigen (heterozygoten) Genotypen. Tiere mit zwei Kopien einen „reinerbigen (homozygoten) Genotypen. Rezessiver Erbgang bedeutet, dass die Krankheit nur auftritt, wenn beide Allele von der Variation betroffen sind.

Was sollte der Züchter bei PSSM2 beachten?

PSSM2 ist ein semidominanter Erbgang mit unvollständiger Penetranz. Semidominante Erkrankungen haben eine große Variabilität in der Ausprägung der Symptome. Tiere, die die gleiche Mutation tragen, zeigen zum Teil stark unterschiedliche klinische Profile. Während ein Pferd nur sehr leichte Symptome zeigt, kann ein anderes deutlich stärker betroffen sein. Die Varianz in der Ausprägung kann durch andere (bekannte und unbekannte) genetische Varianten oder durch Umwelteinflüsse (z.B. Ernährung, Haltung, Stress) bedingt sein. Aus diesem Grund ist ein vollständiges „Verbot“ der Zucht mit Pferden, die eine der bekannten Mutationen haben, nicht unbedingt sinnvoll.

Aktuell geben die beteiligten Forscher die Empfehlung für die Zucht, dass PSSM2-Träger mit Symptomen aus Tierschutzgründen generell nicht zur Zucht verwendet werden sollten. Asymptomatische Pferde, die nur eine Kopie der bekannten mutierten „P-Varianten“ tragen, hervorragende Vertreter der Rasse sind und somit einen hohen genetischen und züchterischen Wert haben, könnten nach sorgfältiger Abwägung aller Faktoren und fachkompetenter Beratung mit Veterinären, Tiergenetikern oder Vertretern von Zuchtverbänden zur Zucht eingesetzt werden, immer im Bewusstsein, dass jedes ihrer Fohlen eine 50%ige Wahrscheinlichkeit hat, die „P-Variante“ zu erben. In einem solchen Fall sollte das Pferd nur mit einem Pferd verpaart werden, dass auf alle bekannten genetischen Varianten normal getestet wurde.

Testung und Umgang mit PSSM2-Pferden

Bisher konnte der Gendefekt jedoch nur unter Ausschluss von PSSM 1 und einer Muskelbiopsie ermittelt werden. Mit dem Vorhandensein eines direkten Gentests lediglich über eine Schweif- oder Mähnenhaarprobe mit Wurzel lassen sich Pferde jeden Alters testen, d.h. vor dem Auftreten der ersten Symptome im Rahmen einer Ankaufsuntersuchung und vor dem Zuchteinsatz. Es gilt zu beachten, dass die Symptomatik oftmals erst im Erwachsenenalter des Pferdes auftritt und die Geschlechtsreife schon viel früher eintritt. Daher ist die Empfehlung, vor dem Zuchteinsatz zu testen.

Die meisten von PSSM2 betroffenen Pferde profitieren von einer angepassten Fütterung mit hohem Fett und Proteinanteil und Supplementation der Aminosäuren Lysin, Threonin, Methionin. Anders als bei PSSM1 ist die Reduktion von Zucker im Futter wenig zielführend, um die Symptome zu lindern. Regelmäßiges Training kann, je nach Pferd hilfreich sein. PSSM2 Pferde sollten sich möglichst frei bewegen können. Reine Boxenhaltung kann kontraproduktiv sein. Phasen mit negative Stickstoffbilanz, ausgelöst z.B. durch Operationen, Infektionen, Verletzungen, Impfungen etc., führen meist zu einer erheblichen Verschlechterung der Symptome. Heilbar ist PSSM2 nicht.

Die Forschungen sind längst noch nicht abgeschlossen und die unterschiedlichen Konstellationen verschiedener Mutationen, welche die Erkrankungshäufigkeit und ‐schwere beeinflussen, lassen noch viele Fragen offen. Das gesamte Spektrum der Auswirkungen und Zusammenhänge sowie Bedeutung dieses Gendefekts lassen sich demnach abschließend noch nicht vollständig erfassen. Zuchtverbände sehen es als ihre Aufgabe, Züchtern und Mitgliedern beratend und aufklärend zur Seite zu stehen, um mit gezielten Anpaarungen und Zuchtprogrammen, Gendefekte langfristig immer weiter auszuschließen. Jedoch ist eine abschließende Zuchtempfehlung im Fall PSSM2 in diesem Stadium der Forschung noch nicht zu geben und weitere wissenschaftliche Erkenntnisse sind abzuwarten.

Quellen: https://www.centerforanimalgenetics.com/de/update-zum-equine-myopathie-pssm2-panel/
https://www.centerforanimalgenetics.com/de/ebi_equimoni_professional-pferd_2019_22019-cag- pssm2-article-2/
https://www.centerforanimalgenetics.com/de/pssm2/ http://equiseq.com/pssm2-symptoms http://equiseq.com/buy_pssm2