PSSM – Polysaccharid Storage Myopathie

Die sogenannte Polysaccharid-Speicher-Myopathie (PSSM) beim Pferd ist eine genetisch vererbbare Muskelerkrankung, die in verschiedenen Pferdezuchten verbreitet ist. Betroffen sind vor allem Quarter Horses, Paint Horses und Appaloosas. Jedoch auch in Kaltblütern, Warmblütern und deren Kreuzungen ist diese Krankheit zu finden. Die American Quarter Horse Association (AQHA) finanzierte intensive Forschungsarbeiten über Muskelerkrankungen bei Pferden, die Prof. Stephanie Valberg und Prof. James Mickelson von der University of Minnesota leiteten, und machte es somit möglich, mehr über die Diagnose, Ursache und Behandlung von PSSM herauszufinden.

Ursache von PSSM

Die Erkrankung ist durch eine stark erhöhte Aufnahmerate von Glucose (Monosaccharid) aus der Blutbahn in die Muskelzelle gekennzeichnet, wodurch in der Muskelzelle eine gesteigerte Synthese und Einlagerung von Glycogen (Polysaccharid) stattfindet. Die in der Studie von Valberg und Mickelson PSSM-erkrankten Quarter Horses zeigten signifikant höhere Glykogenmengen in der Muskelzelle als gesunde Pferde. Diese Störung basiert auf einer erhöhten Empfindlichkeit der Muskelzellen auf Insulin, die zu der Aufnahme einer über dem Durchschnitt liegenden Menge an Glucose in die Skelettmuskulatur führt. Die Hauptwirkung des Insulins, das von der Bauchspeicheldrüse freigesetzt wird, ist die rasche Senkung der Blutzuckerkonzentration als Reaktion auf eine kohlenhydratreiche Ernährung. Es reguliert die Aufnahme von Glucose in die Körperzellen. Zusätzlich zur übermäßigen Speicherung von normalem Glykogen, lagern sich große Mengen von abnormen Polysacchariden zu Einschlüssen in den Muskelfasern an. Die Problematik bei PSSM besteht darin, dass Mehrfachzucker nicht durch das Enzym Amylase zersetzt werden können. Die normale Form des Zuckers (Glykogen) und die abnorme Form (Polysaccharide) lagern sich dann in den Muskelzellen ein und können nicht abgebaut werden. Bei einer Muskelbiopsie sind diese abnormen Polysaccharide und überschüssiges Glykogen nach Einfärbung als dunkle Bereiche in den Muskelfasern zu erkennen und typisch für den PSSM-Muskel.

Symptomatik

• kreuzverschlagsähnliche Symptome
• Trägheit
• Bewegungsunlust
• Muskelsteifheit
• Muskelzittern
• wechselnde Lahmheiten
• feste harte Muskulatur, vor allem an der Hinterhand
• symmetrischer Muskelabbau speziell an Rumpf, Schulter oder Oberlinie
• Schwitzen bereits bei geringer körperlicher Anstrengung,
• Rückensteifigkeit und Festliegen bis hin zur Bewegungsunfähigkeit.

Die Episoden beginnen meistens nach 10 bis 20 Minuten leichter Arbeit. Viele Pferde haben eine lange Vorgeschichte verschiedener Muskelprobleme, die häufig nicht sofort als PSSM erkannt werden. In schwerwiegenderen Fällen kann das Pferd kaum stehen, jedoch auch das Abliegen bringt keine Erleichterung. Der Urin bei solchen Pferden ist oft kaffeebraun gefärbt, aufgrund von abgegebenen Muskelproteinen in die Blutbahn, die in den Urin übergehen. Besteht zusätzlich die Gefahr der Dehydrierung ist dies eine ernsthafte Situation, da die Nieren des Pferdes geschädigt werden können.

Mutation und Erbgang

Ein Gentest ist unabhängig vom Alter des Tieres und kann bereits beim Fohlen durchgeführt werden. Es ist nicht nur eine Unterscheidung von betroffenen und mutationsfreien Tieren möglich, mit Hilfe des Gentests können auch klinisch unauffällige Träger identifiziert werden, was für die Zucht von großer Bedeutung ist. Der Gentest sagt jedoch nichts über den Beginn und den Schweregrad der Erkrankung aus.

Die PSSM wird autosomal-dominant vererbt, das bedeutet, dass bereits ein betroffenes Allel zu dieser Erkrankung führt. Die Schwere der Erkrankung nimmt zu, wenn das Pferd reinerbig für die Mutation ist, d.h. zwei betroffene Allele besitzt. Für den DNA-Test wird ca. 0,5 ml EDTA-Blut benötigt. Alternativ ist auch die Einsendung von Mähnen- bzw. Schweifhaaren (wichtig: mit Haarwurzel) möglich.

Die PSSM folgt einem autosomal-dominanten Erbgang. Es gibt drei Genotypen:

1. Genotyp N/N (homozygot gesund): Dieses Pferd trägt die Mutation nicht und wird nicht an PSSM erkranken. Es kann die Mutation nicht an seine Nachkommen weitergeben.

2. Genotyp N/PSSM (heterozygoter Träger): Dieses Pferd trägt eine Kopie des mutierten Gens. Aufgrund des dominanten Erbgangs hat das Pferd ein hohes Risiko an PSSM Typ I zu erkranken.

3. Genotyp PSSM/PSSM (homozygot betroffen): Dieses Pferd trägt zwei Kopien des mutierten Gens und hat ein extrem hohes Risiko an PSSM Typ 1 zu erkranken. Er wird die Mutation zu 100 % an seine Nachkommen weitergeben.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fohlen ebenfalls von der Erbkrankeit PSSM betroffen ist, lässt sich folgendermaßen darstellen:

Stute

 

Hengst

1. N / N 2. N / PSSM 3. PSSM / PSSM
 

1. N /N

 

0 % 50 % 100 %
 

2. N / PSSM

 

50 % 75 % 100 %
 

3. PSSM / PSSM

 

100 % 100 % 100 %

 

Für die Zucht heißt das, dass schon mit der Anpaarung eines einfachen PSSM-Trägers mit einem gesunden Tier zu 50% wieder ein Trägertier hervorbringt!
Ein Gen-Test ist also zwingend erforderlich um die Zuchttauglichkeit des Tieres festzustellen. Verantwortungsvolle Züchter sollten ihre Stuten und Hengste testen lassen. PSSM-Träger müssen aus der Zucht genommen werden, um die weitere Verbreitung von PSSM einzudämmen!

Therapie und Management

Für PSSM Typ 1- und PSSM Typ 2- Pferde gibt es keine Heilung. Ohne entsprechende Therapie sind die Tiere nach Ausbruch der Erkrankung für Reitzwecke gar nicht oder nur noch bedingt einsetzbar. Da PSSM eine Störung im Kohlenhydratstoffwechsel ist und die Pferde mit PSSM Glucose in einer stark erhöhten Rate aus der Blutbahn in die Muskulatur aufnehmen, gilt es den stärkehaltigen Anteil im Futter soweit als möglich zu reduzieren. Um eine ausreichende Energieversorgung zu gewährleisten und gleichzeitig die Insulinantwort zu reduzieren, muss die Getreidestärke durch Fett ersetzt werden. Grundfutter in Form von hochwertigem Gras und Heu muss die Grundlage der Ernährung darstellen. Eine Vitamin und Mineralstoff-Ergänzung ist ebenfalls wichtig. Am besten lässt man sich diesbezüglich von einem Tierarzt bzw. Futtermittelfachmann beraten, da es verschiedene Kraftfutterarten gibt, die speziell an die Ernährung von PSSM-Pferden angepasst sind und ganz individuell auf die Lebensumstände des Pferdes eingestellt werden müssen.

Wichtig für Pferde mit PSSM ist die tägliche Bewegung. Hier bietet sich z.B. die Offenstallhaltung an, bei der das Pferd sich alleine im Schritt bewegen kann. Die betroffenen Pferde müssen nach Rücksprache mit dem Tierarzt und bei regelmäßiger Gesundheitskontrolle nach einem gezielten Trainingsplan gearbeitet werden, und nach einem erneuten Krankheitsausbruch schonend wieder aufgebaut werden. In den Untersuchungen von Valberg und Mickelson konnte nachgewiesen werden, dass bei allen Pferden bei Ernährungsumstellung und gleichzeitig optimalem Bewegungsmanagement (Offenstallhaltung, tägl. Weidegang bzw. freie Bewegung mind. 12 Stunden und angepasstes Training) ein verbesserter Zustand eintrat, und über 75 % der erkrankten Pferde keine Symptome mehr zeigten. Das Pferd in guter Kondition zu halten, verändert offensichtlich den Muskel-Stoffwechsel, und dies scheint die beste Vorbeugung gegen einen Krankheitsausbruch zu sein.

Bei gezielter Fütterung und einem entsprechendem Trainingsaufbau können auch PSSM-Pferde reitbar sein und gehen zum Teil im Turniersport. Dennoch bleiben diese Pferde anfällig für Rückfälle, und der Zeitaufwand, das Pferd fit zu halten, sowie die erhöhten Kosten für Spezialfutter übersteigen beträchtlich den Aufwand an Zeit und Geld für die Planung einer sinnvollen Verpaarung trägerfreier Elterntiere, um gesunde leistungsfähige Nachkommen zu erhalten.

M. Sc. agr. Silke Schnieders
Quellen:
1. Stephanie Valberg DVM PhD and James Mickelson PhD,
College of Veterinary Medicine, University of Minnesota, St. Paul:
“Polysaccharide-Storage-Myopathie (PSSM) in horses”
2. LABOKLIN GmbH und Co.KG, D-97688 Bad Kissingen:
“Gentest zum Nachweis PSSM (Polysaccharid-Speicher-Myopathie) beim Quarter Horse”